Otto Haesler, ‚Denkmalschutz‘, …: Wertschätzung und Erhaltung

Man muss endlich beginnen, ganz ‚unseriös‘ auf die Absurditäten hinzuweisen, die sich praktisch (und theoretisch) aus gängigen Ideen der ‚Denkmalpflege‘ ergeben. Dass man etwas wertschätzt, rechtfertigt längst noch nicht, dass man es erhalten will. Und was bedeutet jeweils „erhalten“? Woran erinnern die mehr oder weniger rekonstruierten ‚Ikonen‘ der Architekturgeschichte, von denen man sich nicht trennen mag?


https://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/3/35/Motherbatesmummy.jpg

Touristen zeigt man gern Mumien. Vgl. (mit Balkonattrappe):

https://bauhaus.celle-tourismus.de/bauhaus-architektur-in-celle/direktorenvilla

An den Argumentationsmängeln der ‚Denkmalpflege‘ ändert der öffentlich gut verkäufliche kunsthistorische Aufwand, mit dem sie betrieben wird, nichts. Man liebt zwar Geschichte/n. Aber auch wenn es beispielsweise erwiesen ist, dass das alte Rathaus einmal mit Illusionsmalerei versehen war, rechtfertigt das überhaupt nicht, diese Malerei heute zu rekonstruieren. Für eine Begründung eignet sich nicht Geschichte, sondern ist Logik erforderlich.

Die ambitionierten Zielvorgaben des sparsamen Bauens wurden baukünstlerisch in die Formen des „Neuen Bauens“ gebracht, über die Haesler allerdings kein Wort verlor: „Zur Architektur, zur Ästhetik meiner Bauten habe ich nichts Besonderes hinzuzufügen“, um dann zu behaupten: „Auch für mich ergab sich die Form stets aus dem Inhalt“ (Haesler 1957, S. XVII). Der damit angesprochene Architektur-Funktionalismus der Zeit um 1930 zeigte sich in einer international verbreiteten Formensprache der Weißen Moderne, die auch das Blumläger Feld prägt: Haeslers Wohnzeilen zeichnen sich durch eine Reduktion der Formen und einfach-kubische Baukörper mit Flachdächern ohne Überstand aus.  […]

Die aus Berlin in Aussicht gestellte Summe übersteigt den Zuschussetat der gesamten niedersächsischen Landesdenkmalpflege 2018 um das über Fünf(!)fache. Sie ist Ausdruck einer hohen Wertschätzung des Haesler-Erbes und unterstreicht die enorme denkmalpflegerischen Verantwortung in dieser Stadt. 

https://denkmalatlas.niedersachsen.de/viewer/objekte/blumlaeger-feld/

Weder ergibt sich die ‚Formensprache‘ der weißen Moderne aus einem ‚Inhalt‘ (das entspricht nur einem Selbstverständnis damaliger Architekten, das man historisch einordnen muss) noch erfordert Wertschätzung Erhaltung (was ohnehin aus der Sicht vieler Rekonstruktion bedeutet). Man möchte nicht wirklich begründen.

Nachtrag 21.7.21:

Besonders laut setzt sich in Celle die SPD für ‚Denkmäler‘ Haeslers ein:

https://spd-fraktion-celle.de/meldungen/einmalige-haesler-siedlungen-muessen-erhalten-bleiben

Die Motivation dürfte in einer längeren Entwicklung von einer Arbeiterpartei zur Hinwendung zu symbolpolitischen Anliegen zu suchen sein:

https://www.bpb.de/apuz/29745/symbolische-politik-essay

Impressum und Datenschutzerklärung:

Kranzniederlegung

Über öffentliches Gedenken

In einer Diskussion von Pädagogen erlebte ich, dass als wünschenswert hervorgehoben wurde, wenn Kinder reflektieren. Sie sollen über ihr Handeln nachdenken, um es dadurch verbessern zu können. Das ist ein gängiges Bild pädagogischen Tuns: zum Nachdenken anregen.

Es sind auch insbesondere pädagogische und geisteswissenschaftlich gebildete Kreise, die derartiges Nachdenken im öffentlichen Raum propagieren. Mahnen und Erinnern sollen in Gang gebracht werden durch Denkmäler sowie Gedenk- und Informationstafeln. Derartige Dinge garnieren Celle zuhauf, so etwa in Form der ‚Architekturmeile‘, mit der Zöglinge des öffentlichen Raums ein wenig gebildeter werden oder eben zum Nachdenken gebracht werden sollen.

Diese Gedenktafeln arbeiten kommunikativ, d.h.: Sie sollen bewirken, dass man versteht, was mit ihnen beabsichtigt ist. Beispielsweise soll ein Mahnmal bewirken, dass man versteht, dass es ein Mahnmal sein und woran es erinnern soll (eine durchaus ‚selbstreferentielle‘ Absicht, mehr dazu in http://www.semiotik.tu-berlin.de/fileadmin/fg150/Posner-Texte/Posner-Believing_causing_intending.pdf ).

Häufig leiden unter diesen ‚sekundären‘ Absichten die eigentlichen Primärfunktionen: Manches Gebäude, das allzu sehr anzeigen soll, wozu es dienen soll, ist umso weniger brauchbar. Insofern ist es Teil einer ‚semiotischen Umweltverschmutzung‘, bedingt durch die hohe Reflektiertheit der Absichten, mit denen es gemacht wurde. Wenn beispielsweise ein Gebäude nicht seiner Primärfunktion wegen, etwa als Wohnhaus, erhalten wird, sondern so rekonstruiert wird, dass es anzeigen soll, dass es zu einem Gedenken anregen soll, dann …

sollte man das anstreben? Für wen ist der öffentliche Raum? Es ist interessant, zu bemerken, wer am lautesten für die Einrichtung von Gedenkartefakten eintritt.

In dem Betrieb des Gedenkens geht die Fähigkeit verloren, einfache, unbeabsichtigte, Anzeichen zu erkennen. Sie finden sich eher dort, wo ‚Kulturpreisträger‘ und ‚Denkmalschutz‘ nicht hinsehen: in dem, was durch Nutzung und Veränderung zu stark beansprucht wurde.

Beabsichtigte, kommunikative, Artefakte können widersprüchlich werden:

Daher bietet die semiotische Beschreibungsebene des öffentlichen Raums einen Rahmen mit Erkenntnisgewinn.

Warum ist hier die Reflektiertheit von Zeichen Thema?

In einem Leserbrief an die CZ vom 27.5.21, der eine recht typische altbackene Haltung zum Ausdruck bringt, gegenüber der sich der engagierte ‚Denkmalschützer‘ natürlich überlegen fühlt, schreibt jemand:

„Schon in den Fünfzigerjahren wurden Kinder gehänselt, die in solchen Karnickelställen wohnten wie am Galgenberg.“

Der Verfasser möchte damit sagen, warum er eine Sanierung der verbliebenen Teile der Siedlung Blumläger Feld für unsinnig hält. Gerade am Begründen scheitert er. Denn er müsste auf die Begründung des ‚Denkmalstatus‘ eingehen. Er müsste also darauf eingehen,

  • was ein ‚Denkmal‘ zum ‚Denkmal‘ macht

Er könnte dann dem typischen Denkmalschützer etwas entgegensetzen, indem er entweder

  • den betreffenden Bauwerken diesen Status abspricht

oder

  • an bestehenden Denkmalkriterien  zweifelt.

Letzteres ist Erfolg versprechender. Denn die architekturgeschichtliche Bedeutung der Bauten steht außer Frage. Was also macht ein ‚Denkmal‘ zum ‚Denkmal‘? Man muss auch öffentlich zu einer Metaebene übergehen.

Vgl. https://cellediefreieseite.wordpress.com/2020/07/30/legitimation/

Impressum und Datenschutzerklärung: